Sitzung: 07.12.2023 GR/2023/12/07
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 15, Nein: 2, Anwesend: 17
Beschluss:
Dem Antrag auf Baugenehmigung in der Fassung vom 12. Oktober 2023, eingegangen bei der Gemeinde Tutzing am 23. Oktober 2023, wird das gemeindliche Einvernehmen nicht erteilt.
Begründung:
Mit Antrag vom 12. Oktober 2023, bei der Gemeinde eingegangen am 23.
Oktober 2023, beantragte die Vantage Towers AG eine Baugenehmigung für die
Errichtung eines Mobilfunkmasts mit Technikeinheit für das
Vodafone-Mobilfunknetz auf Fl. Nr. 2380, Gemarkung Tutzing, östlich von
Monatshausen.
Das Bauvorhaben ist im Außenbereich gelegen und als Anlage, die der
öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dient,
grundsätzlich privilegiert nach
§ 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB zulässig.
Im vorliegenden Fall sprechen folgende Aspekte gegen die Zulässigkeit
des Vorhabens:
1. Die geplante Anlage soll nach Angaben des Bauherrn einen „weißen Fleck“ im Mobilfunknetz schließen. Zum Beleg wurde am 12. Januar 2023 eine Karte übersandt, die den „weißen Fleck“ darstellt. Nach den im Internet veröffentlichten Versorgungskarten von Telekom, Vodafone und Telefónica (Stand 06. Februar 2023) wird der gekennzeichnete, unbebaute Bereich allerdings flächendeckend von allen drei Betreibern mit Breitbanddiensten (4G, teilweise 5G) versorgt. Die Begründung für die Notwendigkeit des Vorhabens trägt also nicht.
Die vom Bauherrn geplante
Mobilfunksendeanlage „dient“ folglich nicht der öffentlichen Versorgung mit
Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB, weil
die behaupteten Lücken oder Defizite in der Versorgung nicht bestehen. Vielmehr
ergeben sich aus den Versorgungskarten konkrete Anhaltspunkte für eine
missbräuchliche Inanspruchnahme des Außenbereichs für ein formal privilegiertes
Vorhaben, welches tatsächlich nicht für den angegebenen Zweck erforderlich ist
(vgl. BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 – 4 C 2.12 –).
2. Selbst wenn man unterstellt, der „weiße
Fleck“ bestünde im dargestellten Umfang, so erschließt sich nicht, weshalb zur
Abdeckung dieser relativ kleinen Versorgungslücke die Errichtung eines 60
m-Masts erforderlich sein soll.
Am gewählten Standort, der sich in etwa in
der Mitte des „weißen Flecks“ befindet, dürfte ein 10 bis 15 m-Mast ausreichen,
um das behauptete Versorgungsdefizit auszugleichen. Die offensichtliche
Überdimensionierung des Vorhabens begründet weitere Zweifel am „Dienen“ des
Vorhabens (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 – 4 C 2.12 –) bzw. widerspricht
die konkrete Ausführung dem Gebot des § 35 Abs. 5 Satz 1 BauGB,
die Anlage in einer den Außenbereich schonenden Weise auszuführen.
3.
Die Zulässigkeit von Mobilfunkanlagen
als öffentlichen Versorgungsanlagen im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 1
BauGB ist an ähnliche Voraussetzungen geknüpft, wie sie für die in § 35 Abs. 1
Nr. 3 Halbs. 2 BauGB ebenfalls genannten ortsgebundenen Betriebe gelten. Ortsgebunden
ist ein Gewerbe danach nur dann, wenn es nach seinem Gegenstand und seinem
Wesen ausschließlich an der fraglichen Stelle betrieben werden kann. Auch Mobilfunkanlagen
nehmen an der Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB nur dann teil, wenn
sich auf die Frage, weshalb das Vorhaben gerade hier ausgeführt werden soll,
eine die fragliche Stelle gleichsam individualisierende Antwort geben lässt.
Die Besonderheit von
Mobilfunksendeanlagen liegt lediglich darin, dass sie, um ihre Funktion im
Funknetz erfüllen zu können, zwar in einem bestimmten Gebiet errichtet werden
müssen, innerhalb dieses Bereichs aber regelmäßig mehrere Standorte in Betracht
kommen. Sie sind nicht orts-, sondern lediglich raum- bzw. gebietsgebunden.
Das Merkmal der
„Ortsgebundenheit" ist bei einer Mobilfunksendeanlage bereits dann
erfüllt, wenn sie an einem funktechnisch hierfür geeigneten Standort im
Außenbereich errichtet werden soll. Es genügt mithin eine Raum- bzw.
Gebietsgebundenheit, die durch eine entsprechende Standortanalyse des
Vorhabenträgers nachzuweisen ist.
Die „Gebietsgebundenheit“ hat jedoch auch
Auswirkungen auf die Bedeutung des Gebots des § 35 Abs. 5 Satz 1
BauGB, die Anlage in einer den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Kommen
in dem Gebiet – auch hinsichtlich der zivilrechtlichen Verfügbarkeit – mehrere
Standorte in Betracht und bestehen zwischen diesen Alternativen signifikante
Unterschiede bei den Auswirkungen der Anlage auf die öffentlichen Belange, dann
muss das Unternehmen den „schonenderen“ wählen (BayVGH, Urt. v. 13.10.2009 – 1
B 08.2884 –). Im vorliegenden Fall könnte der behauptete Zweck des Vorhabens
nach Auffassung der Gemeinde außenbereichsschonender
–
vom bestehenden Mobilfunkmast nördlich
Monatshausen,
–
durch Montage der Antennen an einem
Hochspannungsmast der Hochspannungsleitungen westlich Monatshausen
–
oder vom gemeindlichen Grundstück Fl.
Nr. 2205, welches dem Bauherrn mit Beschluss vom 07. März 2023 und in Folge mit
Schreiben vom 22. März 2023 explizit angeboten wurde,
erreicht
werden.
In allen Fällen würde die
Beeinträchtigung des freien Landschaftsbilds und der direkten Sichtbeziehung
von Monatshausen zum Starnberger See deutlich geringer ausfallen als beim
gewählten Standort. Das Grundstück Fl. Nr. 2205 befindet sich innerhalb des vom
Bauherrn übermittelten Suchkreises.
Aber auch die beiden anderen Alternativen
erscheinen im Hinblick auf den kommunizierten Zweck (Schließung des „weißen
Flecks“) grundsätzlich geeignet. Sie stellen sich als bereits vorhandene
Vorbelastung dar und würden die Errichtung eines zusätzlichen Masts entbehrlich
machen.
Die Gemeinde Tutzing sieht in Bezug auf den bereits am 03. Januar 2023
eingereichten Antrag auf Baugenehmigung in der Fassung vom 10. Juli 2023 keine
geänderten Tatbestände. Insbesondere ist das gemeindliche Einvernehmen zu dem
neuen Antrag aus den gleichen Gründen zu verweigern.
Herr Gemeinderat Feldhütter verlässt die Sitzung um 19:02 Uhr.